Perspektiven in Zeiten der Krise.

Die Welt steht still. Was kann Kultur in einer globalen Krisensituation leisten? 

Sie kann stützen, motivieren, Impulse liefern, Perspektiven zeigen. 

Die letzte Rose Deutschlands*

Die letzte Rose Deutschlands*

Rosa Luxemburg  
1871 – 1919, Sozialphilosophin, Nationalökonomin, Politikerin

Berlin, 15. Jänner 1919. Eine Tote wird in den Landwehrkanal geworfen. Man hat sie zuvor geschlagen, getreten und mit einem Schuss in die Schläfe ermordet. Man wird ihren Leichnam erst Monate später finden.

Es ist Rosa Luxemburg, die „Staatsfeindin Nr. 1“ des Deutschen Reiches.

Wie konnte es so weit kommen? Was machte eine Frau so gefährlich, dass 50 000 Mark als Belohnung für ihre Tötung ausgesetzt wurden? Warum sollte sie beseitigt werden? Es war die Angst der deutschen Regierung vor der „kommunistischen Gefahr”, vor der Entstehung einer Räterepublik nach dem Vorbild Sowjetrusslands. Und Rosa Luxemburg war ein Symbol für diese „Gefahr“.

Jugendjahre einer Staatsfeindin


Rosa Luxemburg wurde am 5. März 1871 in einer Kleinstadt im russisch besetzten Teil Polens geboren und besuchte ein Mädchengymnasium in Warschau. Sie begann schon früh, sich für Politik zu interessieren und schloss sich marxistischen Gruppierungen an. Als ihr eine Verhaftung drohte, ließ sie sich versteckt in einem Heuwagen über die Grenze schmuggeln.

Zu dieser Zeit war die Universität Zürich die einzige deutschsprachige Hochschule, die Frauen den Zugang zu einem Studium ermöglichte. So ging Rosa in die Schweiz. Sie belegte Vorlesungen in Philosophie, Staatswissenschaften und Nationalökonomie und promovierte an der juridischen Fakultät. Sie war eine so brillante Studentin, dass ihr Doktorvater, der ein Gegner ihrer politischen Ansichten war, sie trotzdem als „begabtesten Schüler (!) meiner Züricher Jahre“ bezeichnete.

Unpolitisch sein, heißt politisch sein, ohne es zu merken.

Rosa Luxemburg



Für eine gerechtere Welt

Da sich die Sozialdemokratie besonders in Deutschland zu einer starken Bewegung entwickelt hatte, wollte sich Rosa Luxemburg dort am Kampf für eine gerechtere Welt beteiligen. Als Ausländerin waren ihr aber öffentliche Auftritte verboten. Kurzerhand ging sie eine Scheinehe ein und erlangte so die deutsche Staatsbürgerschaft.

Sie engagierte sich als Redakteurin, hielt Reden, unterrichtete als Dozentin an der SPD-Parteischule und trat auf vielfältige Weise für die Sache des Sozialismus ein. Das bedeutete im Deutschen Kaiserreich immer wieder Verhaftung, Verurteilung wegen Majestätsbeleidigung, Gefährdung des öffentlichen Friedens, Hoch-und Landesverrat.

So ist das Leben und so muß man es nehmen, tapfer, unverzagt und lächelnd – trotz alledem.“

Rosa Luxemburg im Gefängnis 1917

Rosa Luxemburg als Rednerin auf dem Internationalen Sozialistenkongress in Stuttgart 1907 © picture-alliance/akg-images

Rosa Luxemburg als Rednerin auf dem Internationalen Sozialistenkongress in Stuttgart 1907 © picture-alliance/akg-images

Rosa Luxemburg ließ sich weder durch Haft noch durch drohende Verurteilung zum Tode einschüchtern. Ihr Ziel war eine sozialistische Gesellschaft, in der alle Ursachen für Krieg und Barbarei beseitigt werden sollten. Und dieses Ziel sollte durch die Diktatur des Proletariats erreicht werden.

Schon Jahre vor dem Ausbruch des Ersten Weltkriegs wies sie in ihren wissenschaftlichen Arbeiten auf die Gefahr eines solchen Krieges hin und benannte die Ursachen für den kommenden Konflikt: Militarismus, Nationalismus, Kolonialismus, Imperialismus.

Kampf dem Krieg!

Wegen ihrer flammenden Antikriegsreden wurde sie im Frühjahr 1914 zu einem Jahr Haft im „Königlich Preußischen Weibergefängnis“ verurteilt. Die Obrigkeit fürchtete ihre Überzeugungskraft und ihren Einfluss auf die Menschen. Diese sollten statt auf Friedensliebe auf Kriegsbegeisterung eingeschworen werden.

1914 stimmten die Sozialdemokraten Kriegsanleihen zu und ermöglichten damit Deutschlands Eintritt in den Ersten Weltkrieg. Enttäuscht gründeten Rosa Luxemburg und Karl Liebknecht den „Spartakusbund“. Daraus ging Ende 1918 die Kommunistische Partei Deutschlands hervor.

Nach ihrer Entlassung aus dem Gefängnis blieben ihr nur fünf Monate in Freiheit. Sie wurde erneut inhaftiert und verbrachte die Kriegszeit im Zuchthaus.

Wer sich nicht bewegt, spürt seine Fesseln nicht.

Rosa Luxemburg

Klara Zetkin und Rosa Luxemburg (v.l.n.r.) auf dem Weg zum SPD-Kongress in Magdeburg 1910. Wikimedia Commons/Public Domain

Klara Zetkin und Rosa Luxemburg (v.l.n.r.) auf dem Weg zum SPD-Kongress in Magdeburg 1910. Wikimedia Commons/Public Domain

Als am 9. November 1918 die „Freie Deutsche Republik” proklamiert wird, ist der ersehnte Frieden in greifbarer Nähe. Rosa Luxemburg wird wieder frei. Sie hat noch 67 Tage zu leben.

Die letzte Rose Deutschlands*

Rosa verbringt diese Zeit in Verstecken, wechselt mehrmals die Wohnung und wird zu Unrecht einer führenden Rolle im Januaraufstand in Berlin bezichtigt. Doch diesmal folgt auf ihre Verhaftung keine Gerichtsverhandlung, kein Urteil. Ihre Mörder sind rechtsradikale Soldaten, die Befehle ausführen: Die „rote Rosa“ muss sterben, Deutschland soll vor dem Kommunismus bewahrt werden.

Am 19. Jänner 1919 finden zum ersten Mal freie Wahlen statt, an denen auch Frauen teilnehmen dürfen. Auch dafür hatte Rosa Luxemburg gekämpft. Dieser Sieg kam für sie vier Tage zu spät.

Die proletarische Revolution bedarf für ihre Ziele keines Terrors, sie haßt und verabscheut den Menschenmord.

Rosa Luxemburg

Ausstellung im Frauenmuseum Hittisau 2019: Sie meinen es politisch! 100 Jahre Frauenwahlrecht in Österreich. © Lutz Werner

Ausstellung im Frauenmuseum Hittisau 2019: Sie meinen es politisch! 100 Jahre Frauenwahlrecht in Österreich. © Lutz Werner

* Zitat Ivan Goll

Text: Roswitha Fessler

Images: © Mauritius images/The History Collection/Alamy (RL); © picture-alliance/akg-images; Wikimedia Commons/Public Domain © Frauenmuseum Hittisau/Lutz Werner

References: 
BMfUK (Hrsg.): Gelehrte Frauen. Frauenbiographien vom 10. bis zum 20. Jahrhundert. Wien 1996
Sichtermann, Barbara: Frauen. Die berühmtesten Frauengestalten. Hildesheim 2001
Rosa-Luxemburg-Stiftung. www.rosalux.de

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