Geburtskultur in Langenegg
Perpetua Schwärzler
1904 – 1974, Hebamme
Perpetua Schwärzler war Hebamme in Langenegg. Kulturvermittlerin Renate Nußbaumer ist ihrer Geschichte nachgegangen und hat mündliche Überlieferungen über Perpetua gesammelt. Ein Blick auf mündlich überlieferte Regionalgeschichte und ein Ausblick auf unsere Jubiläumsausstellung geburtskultur. vom gebären und geboren werden.
Perpetua war eine sehr tüchtige und gewissenhafte Hebamme. Unterwegs war sie immer zu Fuß. Tätig war sie in Langenegg. Langenegg bedeutet “Langes Eck” und ist, wie der Name schon sagt, eine lang gezogene Gemeinde. Der Weg von Hohen, wo Perpetua wohnte, bis zum letzten „Zipfel“ nach Reute, ist ein Fußmarsch von mehr als einer Stunde. Den absolvierte sie mit ihrer Hebammentasche am Arm auch bei Regen, Sturm und Schnee.
Man erzählt auch, dass sie es den jungen Frauen schon früh angesehen hat, wenn sie schwanger waren. Sofort stand sie ihnen mit Rat und Tat zur Seite.
Der Wäschekasten der Wöchnerin
Nach der Geburt besuchte Perpetua ihre Wöchnerinnen acht Tage lang täglich, um Scheidenspülungen vorzunehmen. Perpetua genoss es, wenn ihr etwas Gutes zum Essen und Trinken vorgesetzt wurde. Selbst galt sie als schlechte Köchin. Umso mehr waren ihr die Einladungen zum gemeinsamen Mittagessen in der Familie recht.
“Wenn sie gerade keine andere Wöchnerin zu betreuen hatte, deponierte Perpetua immer das Scheidenspülgerät im Wäschekasten der Wöchnerin bei der sauberen Bettwäsche”, erzählt eine Langeneggerin, die ihre sech Kinder unter der Obhut von Perpetua zu Hause geboren hat. Das erleichterte ihren langen Fußweg. Warum gerade im Wäschekasten? Einen sterileren Ort gab es damals in einem Bauernhaus wohl kaum.
Im Bett des Ehemanns
Zog sich eine Geburt bis in die Morgenstunden, legte sich Perpetua in das Bett des Ehemannes, um ein Nickerchen zu machen. Der Ehemann musste sich für die Zeit der Geburt und für acht Tage danach eine andere Schlafstelle suchen. Das war damals üblich.
Im November 1939 hatte Perpetua an einem Tag zwei Gebärende zu betreuen. Nur, zwischen der einen und der anderen lagen acht Kilomenter. Zum letzen Mal betreute Perpetua eine Geburt im Jahr 1971.
Und wer war “Buschl-Ann”?
Perpetua wurde am 15. Oktober 1904 in Langenegg geboren. Aus dem frühen Leben von Perpetua ist wenig bekannt. So viel ist überliefert: Sie wurde mit knapp siebzehn Jahren von ihrem Gitarre-Lehrer schwanger. Ihre Tochter Anna brachte Perpetua allein zur Welt – im Beerengarten zwischen den Johannisbeersträuchern. Das brachte der jungen Anna deren ungeliebten Spitznamen ein: „Buschl-Ann“.
Anna zog sehr früh nach Höchst, wo sie mit ihrem Mann lebte. Die Ehe blieb kinderlos. Zuletzt wohnte Perpetua bei ihrer Tochter in Höchst, wo sie auch beerdigt wurde. Gestorben ist sie am 14. Januar 1974 in Bregenz.
Der Nachlass der Perpetua
Perpetuas Tochter Anna kam im Alter sehr gerne nach Langenegg, um nach dem Anwesen zu schauen, das sie von ihrer Mutter geerbt hatte. Dabei besuchte sie auch ehemalige Nachbar*innen und Bekannte. Von ihr bekam ich das Geburtenverzeichnis, das ich vor ca. zwei Jahren dem Frauenmuseum übergeben habe, gemeinsam mit anderen Objekten aus dem Besitz der Hebamme Perpetua.
Dieses Verzeichnis besteht aus einer Reihe von handgeschriebenen Familienstammbäumen, die Perpetua während des Wartens bei Hausgeburten erstellt hat. Sie hörte sich die Familiengeschichten an, sammelte sie und ergänzte sie mit den Daten aus den Matrikenbücher der Pfarren. Diese Daten führte sie auf den Rückseiten nicht mehr verwendeter Werbeplakate zu Familienstammbäumen zusammen.
Wenn ein gesundes Kind geboren wird, dann schreit es und piepst nicht.
Rosa Luxemburg
Ein herzliches Dankeschön geht an Dr. Ambros Nußbaumer, pensionierter Gemeindearzt aus Mellau (Lebensdaten) und an Dagmar Eberle (Fotos).
Text: Renate Nußbaumer
Images: © Dagmar Eberle, Gemeinde Langenegg © Frauenmuseum Hittisau