Perspektiven in Zeiten der Krise.

Die Welt steht still. Was kann Kultur in einer globalen Krisensituation leisten? 

Sie kann stützen, motivieren, Impulse liefern, Perspektiven zeigen. 

Mäzenin der Gemeinde Hittisau

Mäzenin der Gemeinde Hittisau

Johanna von Bergmann 
1841 - 1910, Mäzenin der Gemeinde Hittisau und Biographin ihres Vaters, Josef Ritter von Bergmann

Wie über viele ihrer Zeitgenossinnen wissen wir auch wenig über das Leben der Johanna von Bergmann, spielte sich dieses Leben im 19. Jahrhundert für bourgeoise Frauen kaum in der politischen oder beruflichen Öffentlichkeit ab. Johanna war es aber, die Leben und Leistungen ihres Vaters für die Nachwelt sicherte. Sie verfasste seine Biographie, ein Dokument, das sich vor allem aus dessen Erzählungen und einzelnen Nachforschungen speist. Josef Ritter von Bergmann war Historiker, Philologe, Numismatiker. Er war Kustos der heute zum Kunsthistorischen Museum gehörenden Ambraser Sammlung in Wien, später wurde er dort Direktor des Münz- und Antikenkabinetts. Auch war er Lehrer der Söhne Erzherzog Karls und – im Übrigen als erster Vorarlberger – sowohl Mitglied der Wiener als auch der Bayerischen Akademie der Wissenschaften.

Josef von Bergmann war in erster Ehe (1828–1839) mit Maria Freiin von Pratobevera († 1839) verheiratet. In zweiter Ehe heiratete er deren Schwester Louise (1807-1888). Sie waren die Töchter des Juristen Carl Joseph von Pratobevera (1769-1853) und der Fabrikantentochter Johanna Schröter (1782–1832). Der Kontext, in dem sich die Familie bewegte, war also jener des aufstrebenden Bildungs- und Besitzbürgertums im Wien des 19. Jahrhunderts.  

Josefs und Marias Söhne waren Karl von (1833-1890), Chorherr in St. Florian, und der k.u.k. Major Maximilian von Bergmann (1835-1906). Johanna (* 19. Oktober 1841, † 28. August 1910) und Ernst (1844-1892, Ägyptologe) waren die Kinder aus der Ehe mit Louise.

 

Grab von Josef und Johanna von Bergmann am Romantikerfriedhof in Maria Enzersdorf © Karl Gruber

 

Ehrenbürgerin und Wohltäterin

Als Sechzehnjährige kam Johanna von Bergmann zum ersten Mal gemeinsam mit ihrer Mutter Louise aus Wien zu Besuch nach Hittisau, dem Geburtsort ihres Vaters. Dem Dorf im Bregenzerwald blieb sie Zeit ihres Lebens verbunden. Gemeinsam mit ihrem Bruder Max nahm sie 1896 an den Feierlichkeiten anlässlich des 100. Geburtstages des Vaters in Hittisau teil. Sie hielt engen und freundschaftlichen Kontakt mit der Gemeinde und dem Land Vorarlberg. Dieser Verbindung ist es zu verdanken, dass auch der private Nachlass der Familie nach Vorarlberg kam. Johanna Bergmann erhielt schließlich für ihre Verdienste besondere Anerkennung. Das Landesmuseum verlieh ihr die Ehrenmitgliedschaft und die Gemeinde Hittisau machte sie zur Ehrenbürgerin. Das waren besondere Auszeichnungen, bedenken wir, dass solche Ehren zur damaligen Zeit in der Regel Männern vorbehalten waren.

Johanna war kinderlos und überlebte ihre Brüder. So kam es auch, dass sie ihr Vermögen der Gemeinde Hittisau unter der Bedingung der sozialen Zweckwidmung vererbte. Damit konnten die Gemeinden Hittisau und Bolgenach 1912 das stattliche und zentral gelegene „Hotel Dorner“ erwerben, um es zum Armenhaus und zur Entbindungsstation umzuwidmen. Die Einrichtung diente bald neben der Fürsorge auch öffentlichen und kulturellen Zwecken, wodurch das »Versorgungshaus« bis zu seinem Abriss in den 1980er Jahren eine sehr vielseitige Atmosphäre erhielt.

„Hotel Dorner“, Armen- und Geburtshaus, Hittisau um 1910 © Frauenmuseum Hittisau

Entbindungs- und Versorgungshäuser in Vorarlberg

Dass mit Johanna von Bergmanns Erbe ein Armen- und Entbindungshaus eingerichtet wurde, ist auch insofern interessant, als Vorarlberg im 20. Jahrhundert eine Sonderstellung in Österreich einnahm. Beinahe jede größere Gemeinde besaß ein Entbindungshaus. Das erste eröffnete die Hebamme Ottilia Schwendinger 1910 in ihrem Haus in Dornbirn – also zeitgleich mit Johanna von Bergmanns Schenkung an die Gemeinde Hittisau. Die Entbindungsheime gestalteten sich sehr unterschiedlich. Zum einen waren es ein oder zwei Zimmer, die eine Hebamme in ihrem Privathaus eingerichtet hatte, um sich die zum Teil langen Wege zu den Gebärenden zu sparen. Zum anderen unterhielten Gemeinden sogenannte Versorgungsheime, die von geistlichen Schwestern betreut wurden. In ihnen waren neben den Geburtenstationen oft auch Bereiche für bedürftige oder alte Personen untergebracht. So auch in Hittisau, wo das „Hotel Dorner“ als Gemeindeeinrichtung von den Barmherzigen Schwestern betreut wurde. 1973 gab es in Vorarlberg 16 Entbindungsheime. Dann wurden sie nach und nach geschlossen. Viele Frauen wollten im Krankenhaus gebären. Die geistlichen Schwestern, die lange fast umsonst gepflegt hatten, wurden weniger. Das regulär angestellte Personal war teuer, das Haftungsrisiko für die Gemeindeärzt:innen wurde zu groß.

Gedenkreihe zum 150. Todestag des Josef Ritter von Bergmann

Die Gemeinde Hittisau veranstaltet vom 01. bis 03. Juli 2022 in Zusammenarbeit mit der „Werkstatt Geschichte“ eine Gedenkreihe zum 150. Todestag des Josef Ritter von Bergmann. Dabei wird in erster Linie dem berühmten Hittisauer Raum und Erinnerung geschenkt. Doch die Biographie und der geistige Nachlass Bergmanns stehen in einem sehr engen Verhältnis zu seiner Tochter. So wird auch sie über ihre Texte und Erzählungen in das Programm eingebunden sein und somit das Bild ihres Vaters vervollständigen.


Text: Stefania Pitscheider Soraperra und Georg Sutterlüty

Images:
© Karl Gruber. Grab von Josef und Johanna von Bergmann in Maria Enzersdorf wikipedia.org/wiki/Josef_von_Bergmann#/media/Datei:Maria_Enzersdorf_4947.jpg

© Frauenmuseum Hittisau. „Hotel Dorner“, Armen- und Geburtshaus, Hittisau um 1910

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