Ein Wunder für das Selbstwertgefühl
Ein-Personen-Unternehmen (EPU) machen mehr als die Hälfte aller Unternehmen in Österreich aus. Mehr als 315.000 EPU sind eine tragende Säule der Wirtschaft hierzulande. Und mehr als die Hälfte der Unternehmensinhaber*innen sind Frauen. Wie bewältigen sie die Krise? Welche Sorgen haben sie? Welche Perspektiven? Wir machen Stimmen aus dem Alltag sichtbar.
Manuela Schweighofer
*1971, EPU, Friseurin
Dass in jeder Krise eine Chance steckt, wurde in den letzten Wochen vielfach gesagt. Das mag in vielen Fällen stimmen. Kinder haben nach jedem hohen Fieber einen Wachstumsschub, Pflanzen blühen nach einem Rückschnitt auf und die barocke Pracht Siziliens wurde erst nach einem verheerenden Erdbeben möglich. Doch was geschieht in einem Ein-Personen-Unternehmen, wenn zwischen dem Beginn einer Krise und dem drohenden Ruin nur eine minimale Zeitspanne liegt?
Ich habe tagelang davon geträumt, mit meiner Familie in einem Zelt zu schlafen, so groß war meine Existenzangst.
sagt Friseurin Manuela Schweighofer.
„Dann habe ich beschlossen, nach vorne zu sehen, die Zeit mit meiner Familie gut zu nutzen, die Sonne zu genießen und meinen Glauben an die Zukunft nicht zu verlieren“, ergänzt sie.
In Beziehung treten, zuhören, sich austauschen
Manuela Schweighofer betreibt seit einigen Jahren einen kleinen Friseursalon in Feldkirch. Alleine. Sie hat keine Angestellten, auch keine Lehrlinge. „Für mich war es sehr wichtig, mich meinen Kundinnen und Kunden zur Gänze widmen zu können. Ich wollte mit ihnen in Beziehung treten, zuhören, mich austauschen“, sagt sie. Deshalb habe sie sich auf für die Selbständigkeit entschlossen, nach vielen Jahren in einem großen Schweizer Salon. Sie habe gut verdient und es sei auch eigentlich bequemer, angestellt zu sein. Aber sie wollte die Zeit, die sie ihren Kund*innen widmet, selbst einteilen können, eine „Haar-Oase“ für sie schaffen. Und das wissen diese zu schätzen.
Als ich wieder hier war, haben mir alle beim Vorbeigehen zugewunken oder kurz die Tür geöffnet, um Hallo zu sagen. So viel Herzlichkeit hat mich zu Tränen gerührt.
erzählt die Friseurin.
Zuversicht, trotz allem
Manuela weiß, dass der Schritt in die Selbständigkeit der richtige war, dass die Beziehungen, die sie über die Jahre aufgebaut hat, echte und ehrliche sind. Das habe ihr die Zuversicht gegeben, an die Überwindung der Krise zu glauben. Und Zuversicht braucht sie auf alle Fälle: „Überbrückungskredite und die Stundung von Steuern und Lokalmieten sind unmittelbar hilfreich. Aber das Geld muss ja trotzdem irgendwann bezahlt werden. Wie ich dieses zusätzliche Geld als Einzelperson erwirtschaften soll, weiß ich nicht. Eigentlich habe ich einfach nur mehr Schulden“, sagt Manuela Schweighofer.
Aus dem viel gepriesenen Härtefallfond habe sie jedenfalls nur tausend Euro bekommen. Damit kommt man nicht weit. Sehr viel sei auch in den kommenden Monaten nicht zu erwarten. Ausgaben für neue Kund*innenmäntel, Masken, Desinfektionsmittel waren aber Voraussetzung für die Wiedereröffnung.
Aber: Ich lasse mich nicht unterkriegen. Menschen halten viel aus und im Vergleich zu einem Krieg können wir uns immer noch glücklich schätzen.
sagt sie.
Engel mit Scheren
Manuela Schweighofer macht weiter, denn Körperpflege gibt den Menschen Selbstvertrauen und Würde. Deshalb verschließt sie nicht die Augen vor der Armut, die es überall gibt, auch hier im reichen Vorarlberg. Sie ist überzeugtes Mitglied der „Barber Angels“. Gemeinsam mit Kolleg*innen aus ganz Europa schneiden die Barber Angels wohnungslosen und armutsgefährdeten Menschen Haare und Bärte.
Immer wieder setzt Manuela Schweighofer ihr Handwerk ehrenamtlich ein und besucht Einrichtungen, die Menschen in Not helfen. „Ein neuer Haarschnitt kann Wunder bewirken. Manchmal steht er sogar für einen Neuanfang. Jedenfalls unterstützt er das Selbstwertgefühl, und das gibt mir viel zurück“, sagt sie.
Denn: Menschen sind ihr wichtig.
Text: Stefania Pitscheider Soraperra
Images: © Frauenmuseum Hittisau © Barber Angels Brotherhood Austria