Perspektiven in Zeiten der Krise.

Die Welt steht still. Was kann Kultur in einer globalen Krisensituation leisten? 

Sie kann stützen, motivieren, Impulse liefern, Perspektiven zeigen. 

"Die Geburt ist der gefährlichste Zeitabschnitt des Lebens"

"Die Geburt ist der gefährlichste Zeitabschnitt des Lebens"

Millionen Neugeborener weltweit verdanken einer Untersuchung sofort nach der Geburt ihr Leben: Atmung, Puls, Grundtonus (=Muskelspannung), Aussehen und Reflexe werden routinemäßig kontrolliert. Die Anfangsbuchstaben dieser 5 Kriterien des Gesundheitschecks ergeben den Namen seiner Erfinderin, Virginia Apgar, einer amerikanischen Ärztin. 

Sie erkannte, dass eine sofortige Diagnose des Gesundheitszustandes von Säuglingen direkt nach der Entbindung notwendig ist, um schnellstmöglich Maßnahmen gegen Krankheitssymptome ergreifen zu können. Dadurch wurde die Sterblichkeitsrate bei Neugeborenen drastisch gesenkt. 

Virginia Apgar 
1909 – 1974, Chirurgin, Anästhesistin, Neonatologin

Virginia Apgar wurde 1909 in New Jersey geboren und studierte in New York Medizin. Sie gehörte zu den ersten Frauen, die in den Dreißigerjahren ein solches Studium wagten und entschied sich nach ihrem Abschluss für eine rein männliche Domäne: die Chirurgie.  

„Frauen wollen nicht von einer Chirurgin operiert werden, nur Gott weiß, weshalb.“

Virginia Apgar

Sie führte hunderte von Operationen erfolgreich aus. Dennoch bekam sie immer wieder Vorbehalte gegen eine Frau als Chirurgin zu hören. So begann sie, sich mit dem Fachgebiet der Anästhesie anzufreunden. Zu dieser Zeit waren es noch die Krankenschwestern, die eine Narkose verabreichten, doch es wurde bald klar, dass auf Grund neuer Operationsmethoden auch hier Spezialist*innen benötigt wurden. 

Virginia Apgar schuf die Grundlagen für dieses neue Fachgebiet der Medizin und wurde 1949 zur ersten Professorin für Anästhesiologie in den USA ernannt. Die Leitung des später neu etablierten, eigenständigen Instituts wurde allerdings – wie so oft – einem Mann zuerkannt. 

„Niemand, wirklich niemand, wird in meinen Händen aufhören zu atmen.“

Virginia Apgar

Virgina Apgar untersucht ein Neugeborenes. 1966. World Journal Tribune photo by Al Ravenna. United States Library of Congress's Prints and Photographs division.

Virgina Apgar untersucht ein Neugeborenes. 1966. World Journal Tribune photo by Al Ravenna. United States Library of Congress's Prints and Photographs division.

Ihre Erfahrungen als Narkoseärztin brachten sie auf die Idee, Neugeborene mit denselben Kriterien wie ihre Patient*innen auf dem Operationstisch zu beurteilen: Der Apgar-Index war entdeckt. Mit Hilfe dieser Untersuchungsmethode können vorgeburtliche Schäden oder Verletzungen, die während der Geburt erfolgen, rechtzeitig diagnostiziert, in einem Punkteschema festgehalten und sofort behandelt werden. Unzählige Kinder verdanken seither Virginia Apgar ihr Leben. 

Nach der Veröffentlichung ihrer Erkenntnisse im Jahre 1953 wurde der Apgar-Score in den USA und später weltweit eingesetzt. 

Virginia Apgar forschte unermüdlich weiter, erfand neue Untersuchungsmethoden wie den Blutgastest aus der Nabelarterie und begann mit fast fünfzig Jahren ein weiteres Studium mit dem Schwerpunkt „Öffentliche Gesundheitspflege“. Nach dem Abschluss engagierte sie sich vor allem in den Bereichen Schwangerschafts- und Säuglingsgesundheit. Sie leistete Pionierarbeit bei der Verhinderung von angeborenen Fehlbildungen und erhielt eine weitere Professur in diesem medizinischen Spezialgebiet. 

„Ich habe eben keinen Mann gefunden, der kochen kann.“

(Virginia Apgar auf die Frage, warum sie nie geheiratet habe.) 

Dr. Apgar untersucht die Reflexe eines Neugeborenen. 1959. National Library of Medicine, Profiles in Science

Dr. Apgar untersucht die Reflexe eines Neugeborenen. 1959. National Library of Medicine, Profiles in Science

Ihre ganze Kraft setzte sie in den folgenden Jahren für die medizinische Forschung und die Beschaffung der dafür benötigten Gelder ein. Daneben fand sie noch Zeit, gemeinsam mit einem Freund zwei Violinen, eine Viola und ein Cello zu bauen, den Pilotenschein zu machen und die ganze Welt zu bereisen, um in Vorträgen ihr Wissen über die Verhinderung von Geburtsschäden weiterzugeben. 

Mit 65 Jahren starb Virginia Apgar an einer Lebererkrankung. 

Schon zu Lebzeiten hatte sie zahlreiche Ehrungen erhalten, unter anderem drei Ehrendoktorate renommierter Universitäten. Ihre Aufnahme in die National Women’s Hall of Fame hat sich Virginia Apgar mehr als verdient. 

Text: Roswitha Fessler 

Im Rahmen unserer aktuellen Ausstellung geburtskultur. vom gebären und geboren werden wird Mag.a Roswitha Fessler, Gymnasialprofessorin (im Ruhestand) für Deutsch, Geschichte und Ethik, den Vortrag "Am Anfang war die Frau. Eine Kulturgeschichte der Geburt" bei uns halten. Der Vortrag wird am 25. Februar 2021 online via zoom stattfinden. Infos zu Anmeldung und Ablauf gibt es auf frauenmuseum.at.


References: 
Fem Bio: https://www.fembio.org/biographie.php/frau/biographie/virginia-apgar/
https://www.tellmed.ch>include_php>previewdoc

Images: 
https://en.wikipedia.org/wiki/Virginia_Apgar
https://de.wikipedia.org/wiki/Virginia_Apgar
https://circulatingnow.nlm.nih.gov/2019/03/21/rise-serve-lead-celebrating-virginia-apgar/

Lieber fliegen als kriechen

Lieber fliegen als kriechen

Talente fördern… je früher, desto besser

Talente fördern… je früher, desto besser