Perspektiven in Zeiten der Krise.

Die Welt steht still. Was kann Kultur in einer globalen Krisensituation leisten? 

Sie kann stützen, motivieren, Impulse liefern, Perspektiven zeigen. 

Lieber fliegen als kriechen

Lieber fliegen als kriechen

Louise Otto-Peters 
1819 - 1895, Journalistin, Schriftstellerin, Frauenaktivistin

Anlassfall für ein Verbotsgesetz, Initiatorin einer “Frauenschlacht”, Betroffene von Hausdurchsuchungen, Verhören und “Besitzerin” einer eigenen Polizeiakte - solche Geschehnisse waren Teil von Louise Otto-Peters Leben. Was sie getan hat? Sie kämpfte für die Gleichberechtigung von Mann und Frau.

Wir wollen lieber fliegen als kriechen.

Louise Otto-Peters

Die bürgerliche Familie, aus der Louise Otto-Peters stammte, hatte eine Besonderheit: Ihr Vater diskutierte mit seiner Ehefrau und den vier Töchtern bei Tisch politische Ereignisse.

Schon als Kind hungerte Louise nach Bildung. Mädchen durften zu ihrer Zeit aber nur bis zur Konfirmation die Schule besuchen. So erbat sie eine Verschiebung der Segenshandlung um ein Jahr. Sie wollte länger lernen. Damit nicht genug. Sie bildete sich auch danach autodidaktisch weiter und schrieb schon als junges Mädchen Gedichte.

Eine Frau als Redakteurin
Als sie während eines Besuchs bei ihrer verheirateten Schwester im sächsischen Erzgebirge die Lebensverhältnisse der Arbeiterinnen kennenlernte, begann sie sich mit der sozialen Situation der Frauen zu beschäftigen. In einem Leserbrief antwortete sie auf die Frage des Herausgebers der „Sächsischen Vaterlandsblätter“, ob das weibliche Geschlecht ein Recht auf politische Mitwirkung hätte:

Die Teilnahme der Frauen ist nicht nur ein Recht, sondern eine Pflicht.

Louise Otto-Peters

Das beeindruckte den Zeitungsmann und er engagierte sie als Mitarbeiterin. Allerdings musste sie ihre ersten Artikel mit dem Pseudonym „Otto Stern“ signieren, zu ungewöhnlich war es noch, dass eine Frau zu Zeitfragen und Frauenrechten öffentlich Stellung nahm.

Ausstellung im Frauenmuseum Hittisau 2019: Sie meinen es politisch! 100 Jahre Frauenwahlrecht in Österreich. © Ronja Svaneborg

Ausstellung im Frauenmuseum Hittisau 2019: Sie meinen es politisch! 100 Jahre Frauenwahlrecht in Österreich. © Ronja Svaneborg

Lex Otto und das Verbot zu schreiben
Bereits 1847 entwarf sie ein Programm für die Frauenbewegung, in dem sie bessere Bildungsmöglichkeiten für Frauen verlangte. Doch diese Ansätze wurden bald zunichte gemacht. 1849 wurden alle demokratischen Frauenvereine verboten, 1850 den Frauen die Teilnahme an politischen Versammlungen untersagt.

“Lex Otto” hieß das neue Pressegesetz, das 1851 in Sachsen verabschiedet wurde. Es verbot Frauen, als Redakteurinnen tätig zu sein. Diesen Namen trägt das Gesetz wegen Louise Otto-Peters: Das Verbot war auf sie zugeschnitten. Die Inhalte ihrer „Frauen-Zeitung“, wurden als revolutionär eingestuft, denn sie bot darin Frauen aller Schichten eine Möglichkeit, sich mit demokratischen Forderungen wie der rechtlichen Gleichstellung auseinanderzusetzen. Das Motto der Zeitung war:

Dem Reich der Freiheit werb‘ ich Bürgerinnen.

Louise Otto-Peters

Frauen-Zeitung. Hg. v. Louise Otto-Peters. Titelseite der Probenummer von 1849. Online unter: https://de.wikipedia.org/wiki/Frauen-Zeitung#/media/Datei:Frauen-Zeitung_Probenummer_1849.jpg

Frauen-Zeitung. Hg. v. Louise Otto-Peters. Titelseite der Probenummer von 1849. Online unter: https://de.wikipedia.org/wiki/Frauen-Zeitung#/media/Datei:Frauen-Zeitung_Probenummer_1849.jpg

Die journalistischen und schriftstellerischen Texte von Louise Otto-Peters waren von so großer Brisanz, dass man über sie eine eigene Polizeiakte anlegte. Sie verlangte darin u.a. immer wieder eine Erweiterung der Erwerbsmöglichkeiten für Frauen, um damit die wirtschaftliche Abhängigkeit von Vätern oder Ehemännern zu beenden. Mit ihren Forderungen stellte sie die herrschende patriarchale Ordnung und das monarchische Regierungssystem in Frage. Polizeiverhöre und Hausdurchsuchungen waren die Folge.

Frauenschlacht von Leipzig
1858 heiratete Louise Otto den Schriftsteller August Peters, der als Revolutionär in die Kämpfe von 1848 verwickelt und zu sieben Jahren Kerker verurteilt worden war. 1860 folgte sie ihrem Mann nach Leipzig, wo sie fünf Jahre später gemeinsam mit Auguste Schmidt, Ottilie von Steyber und anderen einen Frauenbildungsverein gründete, der Männer im Vorstand ausschloss. Die Devise lautete:

Alles für die Frauen durch die Frauen

Frauenbildungsverein Leipzig

Sie rief alle Frauenvereine in Deutschland auf, sich zu versammeln und gemeinsam vorzugehen. Die Presse sprach von der „Frauenschlacht von Leipzig“, denn Frauen, die öffentlich auftraten und sich organisierten, erregten großes Aufsehen.

Erste deutsche Frauenkonferenz
Diese Versammlung, die erste deutsche Frauenkonferenz von 1865, hatte zum Ziel, dem weiblichen Geschlecht den Zugang zu schulischer, beruflicher und universitärer Bildung zu erkämpfen. Dadurch sollte den Frauen ein freies und eigenständiges Leben ermöglicht werden. Bei dieser Gelegenheit wurde zudem der Allgemeine Deutsche Frauenverein gegründet, dessen ehrenamtliche Vorsitzende Louise Otto-Peters wurde. Damit war der Grundstein für eine organisierte Frauenbewegung gelegt.

"Die Führerinnen der Frauenbewegung in Deutschland", links oben Louise Otto-Peters. Blatt aus "Die Gartenlaube. Illustriertes Familienblatt", 1894, Nr. 15, S. 257.  Online unter: https://pt.wikipedia.org/wiki/Ficheiro:F%C3%BChrerinnen_der_Frauenbewe…

"Die Führerinnen der Frauenbewegung in Deutschland", links oben Louise Otto-Peters. Blatt aus "Die Gartenlaube. Illustriertes Familienblatt", 1894, Nr. 15, S. 257. Online unter: https://pt.wikipedia.org/wiki/Ficheiro:F%C3%BChrerinnen_der_Frauenbewegung_in_Deutschland_1894.jpg

Mit ihren journalistischen und schriftstellerischen Arbeiten setzte sich Louise Otto-Peters für die Gleichberechtigung von Mann und Frau, das Recht der Frauen auf Erwerbstätigkeit und politische Mitsprache ein. Sie schrieb unermüdlich gegen Ausbeutung, Armut und Kinderarbeit an und plädierte für mehr Menschlichkeit.

Umkämpft und erinnert
Das blieb nicht unbemerkt. Immer wieder musste sich Louise Otto-Peters gegen den Vorwurf wehren, keine „richtige Frau“ zu sein. Warum? Weil sie für die Freiheit kämpfte. Und ihr war bewusst, dass dieser Kampf notwendig war, sie schrieb:

Die Geschichte aller Zeiten hat es gelehrt und die heutige Zeit ganz besonders, daß Diejenigen, welche selbst an ihre Rechte zu denken vergessen, auch vergessen wurden.

Louise Otto-Peters

Dieses Schicksal blieb ihr erspart. Schon 1900, fünf Jahre nach ihrem Tod, wurde für sie in Leipzig ein Denkmal errichtet. Zahlreiche Straßen, Plätze und Schulen in Deutschland tragen ihren Namen. Gedenksteine und – tafeln erinnern an ihr politisches und soziales Engagement und ihren bahnbrechenden Beitrag im Kampf um die Rechte der Frau.
 


Text: Roswitha Fessler 

Images:
© Louise Otto-Peters-Archiv, Leipzig. https://www.bpb.de/gesellschaft/gender/frauenbewegung/35309/louise-otto-peters
© Ronja Svaneborg, Frauenmuseum Hittisau
https://pt.wikipedia.org/wiki/Ficheiro:F%C3%BChrerinnen_der_Frauenbewegung_in_Deutschland_1894.jpg

References: 
Brinker-Gabler, Gisela u.a.: Lexikon deutschsprachiger Schriftstellerinnen 1800 – 1945, München 1986 
Gerlinde Kämmerer (2019): Louise Otto-Peters, in: Digitales Deutsches Frauenarchiv. https://www.digitales-deutsches-frauenarchiv.de/akteurinnen/louise-otto-peters

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