Perspektiven in Zeiten der Krise.

Die Welt steht still. Was kann Kultur in einer globalen Krisensituation leisten? 

Sie kann stützen, motivieren, Impulse liefern, Perspektiven zeigen. 

Ein Stück Normalität.

Ein Stück Normalität.

Als “Held*innen des Alltags” werden sie bezeichnet, die Kassier*innen, Lehrer*innen, Pfleger*innen, die unser System in der Krise aufrechterhalten. Lob und Dank prasseln auf die sonst nicht so hoch geschätzten Arbeitskräfte ein. Doch wie erleben sie die Krise? Wie hat sich ihr Arbeitsalltag verändert und wie geht es ihnen dabei? Wir machen Stimmen aus dem Alltag sichtbar. 

Margot Widerin
*1964, Brotverkäuferin

Was bleibt, wenn die Krise unseren Alltag, unsere Abläufe, unser Leben auf den Kopf stellt? Es sind einfache Dinge, an denen sich die Menschen festhalten können. Zum Beispiel der Gang zur Bäckerei, wie Margot Widerin, Brotverkäuferin in Dornbirn, erzählt. 

Mit Bäckereien verbindet Margot viel Positives. Als Tochter eines Stickereibetreibers aus Braz hat sie zu Hause schon früh mitgeholfen. Ihre Mutter arbeitete Vollzeit im Familienbetrieb, ihre Schwester und sie haben die Betreuung der jüngeren Geschwister übernommen. Schon als Kind ist sie gerne in die Bäckerei im Dorf gegangen. Ihre erste Arbeit außer Haus nahm sie dann als junge Frau in einer Konditorei auf, wo sie für Verkauf und Café zuständig war.

Nach verschiedenen beruflichen Stationen - unter anderem übernahm sie für 10 Wintersaisonen die selbstständige Führung von Gästehäusern am Arlberg und in Damüls - ist sie in die Backwirtschaft zurückgekehrt. Seit fünfzehn Jahren nun steht sie hinter dem Tresen einer Bäckereifiliale in Dornbirn. Und hier möchte sie bleiben. Hier gefällt es ihr. Auch in der Krise.

Gerade jetzt ist sie unglaublich froh, zur Arbeit gehen zu können. Die Menschen schätzen es, dass Margot noch da ist, dass sie bei ihr Brot kaufen können - weil es “ein bisschen Normalität ist, ein gewisser Ablauf, der bestehen bleiben kann”, sagt sie.

Auch wenn man das Gefühl hat,
dass alles aus den Fugen gerät,
das bleibt noch.

Margot Widerin  

Trotzdem spürt Margot auch Veränderungen: Die Kund*innen kaufen anders ein, Kleingebäck wird weniger nachgefragt, Brotwecken hingegen mehr denn je. Schon in der ersten Woche der Ausgangsbeschränkungen war das deutlich spürbar. Der Bäcker hat reagiert und vermehrt Großbrot geliefert.

Auch andere Lebensmittel werden nun öfter in der Bäckerei gekauft: Käse, Eier, Wurstwaren, Getränke und mehr. Dafür müssen die Menschen kein weiteres Geschäft aufsuchen.  

Margot Widerin in der Bäckereifiliale

Margot Widerin in der Bäckereifiliale

Vor allem aber in den Gesprächen, im Kontakt mit den Kund*innen, bemerkt Margot Veränderungen. Es kommen neue Themen auf den Tisch: “Wir kennen ja viele Leute schon fünfzehn Jahre lang, man ist per Du, man redet alles Mögliche. Aber wo sie arbeiten, wie sie heißen, weiß man nicht.” Dafür reicht die Zeit sonst nicht. Jetzt fragt sie nach, man lernt sich ein Stückchen besser kennen. Und sie stellt fest: "Durch die Bank sagen alle: ich bin so froh, dass ich noch arbeiten gehen kann.”  

Das ist auch, was Margot sich jeden Tag denkt. Angst hat sie keine, im Gegenteil. Die Atmosphäre in der Bäckerei stimmt für sie:


Es sind nach wie vor die guten Begegnungen,
die meine Arbeit wertvoll machen.

Margot Widerin

Text: Andrea Schwarzmann
Images © Wolfgang Schwarzmann © Schwanenbäckerei Fitz Wolfgang

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