Perspektiven in Zeiten der Krise.

Die Welt steht still. Was kann Kultur in einer globalen Krisensituation leisten? 

Sie kann stützen, motivieren, Impulse liefern, Perspektiven zeigen. 

Krone des Lebens.

Krone des Lebens.

Die heilige Corona
(*167 oder 287 n. Chr., + 177 oder 303 n. Chr.) Schutzpatronin gegen Seuchen und für richtige Lottozahlen

Sie hat im zweiten oder dritten Jahrhundert nach Christus gelebt. Die Quellen sind sich auch nicht darüber einig, ob sie aus dem syrischen Damaskus, dem türkischen Antiochia (Antalja) oder aus dem ägyptischen Alexandria stammte. Manche Quellen halten sie für eine Sizilianerin oder Provenzalin. Einig sind sich alle darüber, dass sie als Märtyrerin gestorben ist.

Von Palmen zerrissen

Auch über die Lebensgeschichte der heiligen Corona und ihres Gefährten Viktor gibt es viele Versionen. In einigen war Viktor ein Soldat aus Cilicien, der aufgrund seines christlichen Glaubens gemartert wurde. Er ertrug alles mit Heldenmut. Seine erst 16-jährige Frau Corona pries ihn währenddessen dabei glücklich. Sie hatte am Himmel Engel erblickt, die zwei Kronen hielten: eine für ihren Mann, eine für sich. Und natürlich wurde auch sie gemartert. Für sie dachte sich der Tyrann von Lycopalie, einer Stadt in Syrien, aber ein besonderes Martyrium aus: Er befahl, zwei Palmen zu biegen und Corona mit Seilen daran zu binden, eine Hand und ein Fuß an jeden Baum. Als man dann die Bäume empor schnellen ließ, wurde sie bei lebendigem Leib zerrissen.

Die Krone des Lebens

Ihr Name Corona nimmt Bezug auf die „Krone des Lebens“, die ihr als Märtyrerin sofort nach ihrem irdischen Tod zuteil wird. Abgebildet wird sie als jugendliche Frau mit Krone, Goldstück oder einem Schatzkästchen. Hinzu kommen ein Palmzweig oder zwei gebogene Baumwipfel. Verehrt wird die Heilige seit dem 6. Jahrhundert in Nord- und Mittelitalien. Gemeinsam mit ihrem Mann Victor ist sie die Patronin von Castelfidardo und Osimo in der Region Ancona und der Diözese Belluno/Feltre. 

Fresko mit einer Darstellung der Heiligen Victor (l.) und Corona in der Wallfahrtskriche der Heiligen Vittore und Corona in Feltre.

Fresko mit einer Darstellung der Heiligen Victor (l.) und Corona in der Wallfahrtskriche der Heiligen Vittore und Corona in Feltre.

Theophanu und Adelheid, zwei Regentinnen

Kaiser Otto III. (980-1002) soll 997 n. Chr. Coronas Reliquien nach Aachen gebracht haben. Dort liegen sie noch heute in einem 1912 gefertigten, kunstvollen und reich verzierten Gefäß aus Blei.

Der Transfer der Reliquien nach Aachen steht aber vor allem mit zwei Regentinnen in Verbindung: Ottos Mutter Theophanu aus Byzanz und ihrer Schwiegermutter Adelheid von Burgund. Otto hatte schon als Kind den Kaiserthron geerbt. Die beiden Frauen führten zusammen die Regierungsgeschäfte. Theophanu starb allerdings schon mit dreißig Jahren. Adelheid, die berühmt war für ihren christlichen Lebenswandel und ihre Mildtätigkeit, übernahm alleine die Regentschaft bis zur Volljährigkeit des Kaisers. Beide Regentinnen ebneten der Heiligen und ihrem Kult den Weg von Zypern nach Mittel- und Norditalien und von dort durch Otto III., der an einem Fieber starb, nach Deutschland. Von Aachen  aus verbreitete sich die Corona-Verehrung in den deutschsprachigen Raum bis in den hohen Norden. Selbst für den Bremer Dom ist für die vorreformatorische Zeit ein Corona-Kult belegt.

Corona – Patronin der Diözese Feltre/Belluno

In Norditalien ist insbesondere die Diözese Feltre in der Provinz Belluno der Hauptort des Kults des heiiligen Victor und der heiligen Corona. Dort steht majestätisch vor den Dolomiten eine romanische Basilika von 1096 bis 1101, die den beiden geweiht ist. Über eine lange steinerne Freitreppe gelangt man zum Zentrum der Anlage: dem Reliquienschrein der beiden Heiligen. Eine Reliquie muss vom Papst approbiert und vom Bischof rekognosziert sein. Corona und Victors Reliquien wurden 1943 und 1981 kirchlich rekognisziert. Dabei wurde festgestellt, dass es sich bei ihnen um die sterblichen Überreste eines Mannes und einer Frau handelt. Durch Pflanzenpollen, die bei der Untersuchung gefunden wurden, konnten die Reliquien auf das zweite Jahrhundert datiert und ihre Herkunft aus dem Mittelmeerraum bestätigt werden. 

In Österreich gibt es eine Wallfahrtskirche, die der heiligen Corona gewidmet ist. Sie steht in Niederösterreich in St. Corona am Wechsel - ein Ort, der in der aktuellen Pandemie eine merkwürdige Berühmtheit erlangt hat. Das beliebteste Fotomotiv sei das Ortsschild geworden, berichtet der Bürgermeister in einem Artikel des orf.

Ausstellung im Frauenmuseum Hittisau 2019: Frau am Kreuz. Von der mittelalterlichen Heiligen zur Pop-Ikone.

Ausstellung im Frauenmuseum Hittisau 2019: Frau am Kreuz. Von der mittelalterlichen Heiligen zur Pop-Ikone.

Corona als Helferin gegen die Pest im 14. Jahrhundert

Von größter Bedeutung für weiteren Kulturtransfer von Figur und Kult der heiligen Corona war Kaiser Karls IV. (1316-1378), dessen Regierungssitz Prag war und dessen Regierungszeit in eine der dramatischsten Epochen der deutschen Geschichte fiel. 1347 hatte ein genuesisches Schiff von der Krim aus die Pest nach Italien gebracht. Von dort breitete sie sich sprunghaft aus. Bis zum Ende des Jahrhunderts, so schätzt man, fiel jeder dritte Mensch in Europa der Seuche zum Opfer. Sündenböcke dafür waren schnell gefunden. Vielerorts kam es zu Judenpogromen. Der Kaiser war ein fanatischer, ekstatischer Frömmler, der von der Kraft der Reliquien überzeugt war. 1355 ließ er auch eine Reliquie der heiligen Corona von Feltre nach Prag bringen. Weil sie als  Heilige bei Seuchen angerufen wurde, sollte sie gegen die Ausbreitung der Pest helfen.

Ironie der Frömmigkeitsgeschichte

Die Zuständigkeit der heiligen Corona in Geldangelegenheiten scheint in der jetzigen Corona-Krise fast eine Ironie der Frömmigkeitsgeschichte, wird doch die jetzige Zeit wirtschafts- und finanzpolitisch eine der großen Herausforderung für die globalen Systeme werden. Es wird viele „Kronen“ brauchen, um den „Lock-down“ von Produktion und Handel zu kompensieren. Und so sei an spätere Darstellungen der Heiligen gedacht, die ein Schatzkästchen in Händen hält oder einem Bettler ein Geldstück überreicht. 

Text: Ulrike Wörner

Gastautorin: Ulrike Wörner, Kuratorin der Ausstellung „Frau am Kreuz. Von der mittelalterlichen Heiligen zur Pop-Ikone“

Dr.in Ulrike Wörner hat in München und Würzburg Germanistik und Geschichte studiert. Nach einem Auslandsjahr am Goethe-Institut in Helsinki war sie im Lehramt tätig. Aus der Friedensbewegung kommend war sie 1986–1990 für „Die Grünen“ Mitglied des Bayerischen Landtags, wo sie dem kulturpolitischen Ausschuss angehörte. Nach einem Zweitstudium der Vergleichenden Kulturwissenschaft an der Universität Regensburg liegen die Schwerpunkte ihrer Arbeit heute in den Bereichen der Kulturgeschichte und der Bildforschung zu Frauen- und Genderthemen.

Images:  © Wallfahrtsandenken aus Sankt Corona in Niederösterreich. 19. Jahrhundert. Gemeinfrei, © https://www.welt.de/geschichte/article155333430/Wie-Kaiser-Karl-IV-bei-der-Pest-die-Juden-verriet.html, © Frauenmuseum Hittisau / Lutz Werner

References:
Braunfels, Wolfgang (Hg.): Lexikon der christlichen Ikonographie. Rom, Freiburg, Basel, Wien 1974, Bd. 7
Keller, Hilgart L.: Reclams Lexikon der Heiligen und biblischen Gestalten. Legenden und Darstellungen in der bildenden Kunst. Stuttgart2001, 9. Aufl.
https://www.radio.cz/de/rubrik/tagesecho/domschatz-des-veitsdoms-wird-auf-der-prager-burg-ausgestellt
https://www.welt.de/geschichte/article155333430/Wie-Kaiser-Karl-IV-bei-der-Pest-die-Juden-verriet.html
https://www.die-tagespost.de/kirche-aktuell/wochenheiliger/Die-heilige-Corona-Hilfe-in-Zeiten-der-Seuche;art4876,206430
https://noe.orf.at/stories/3045560/

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